Besorgte Eltern und andere Ärgernisse

Zeitung lesen macht mir aktuell immer weniger Spaß. Ich lese von "besorgten Eltern" und "Demos für Alle" und frage mich, wer sind diese Menschen, die laut ihren Unmut darüber äußern, dass es außerhalb von Vater-Mutter-Kind noch andere Familienformen gibt. Menschen, die nicht erlauben wollen, dass meinen Kindern in ihrer Schulzeit ihre eigene Lebenswirklichkeit im Unterricht thematisiert wird und sie diese als eine unter vielen möglichen Familienformen vermittelt bekommen.

Doch Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Regenbogenfamilien sind kein rein heterosexuelles Phänomen. Auch bei Schwulen und Lesben lassen sich diese ohne viel Aufwand finden. Mich hat vor ein paar Jahren die Aussage einer Lesbe aufgeschreckt. Als sie hörte, dass meine Frau und ich inzwischen zwei Kinder haben, sagte sie: „Die armen Kinder!“. Sie äußerte das nicht direkt mir gegenüber, ich bekam es aber akustisch mit, als sie es im Gespräch zu ihrer Freundin sagte. „Diese Kinder habe ich dann alle später in meiner Praxis.“ So ging ihre Aussage weiter. Die Frau arbeitet als Therapeutin. Dies ist, wie gesagt, einige Jahre her und ich war in dem Moment zu betroffen, um darauf zu reagieren. Wenn mir so etwas heute noch einmal passieren würde, ich hoffe ich hätte den Mut und die Geistesgegenwart, die offene Auseinandersetzung zu suchen.

Dass solche Meinungen nicht der Vergangenheit angehören, zeigen auch die Äußerungen der Designer Domenico Dolce und Stefano Gabbana, die unlängst durch die Presse gingen. Die beiden Schwulen vertraten die Meinung, dass durch künstliche Befruchtung entstandene Kinder "synthetische Babys" seien und Leihmütter "gemietete Gebärmütter". "Wer würde sich damit einverstanden erklären, der Vater von Chemie zu sein? Fortpflanzung muss ein Akt der Liebe sein, und jetzt sind nicht einmal Psychiater darauf vorbereitet, mit den Folgen dieser Experimente umzugehen." Sie begründeten ihre Aussagen mit ihrem traditionellen sizilianischen Familienbild. Daraufhin reagierte nicht nur Elton John empört, der mit seinem Mann zwei Söhne groß zieht, die eine Leihmutter zur Welt gebracht hat. In der gesamten Community äußerte sich Lesben, Schwule und Transsexuelle empört über die Anfeindung aus dem „eigenen Lager“.

Hinter diesen und ähnlichen Debatten steht, auch bei einigen Lesben und Schwulen, die Auffassung, dass ein Kind Vater und Mutter braucht. Dahinter verbirgt sich aber auch die Angst, dass Kinder aus Regenbogenfamilien Diskriminierungen ausgesetzt werden könnten. „Die armen Kinder!“ sagt über die Person, die das sagt aus: Ich habe selbst Diskriminierung erfahren. Ich weiß, wie das ist und es reicht, wenn ich als erwachsene Lesbe (oder als Schwuler) damit leben muss. Kinder aber sollten dieser Diskriminierung nicht ausgesetzt werden.

Statt alle, die in einer vielfältigen und offenen Gesellschaft leben wollen, aufzufordern aktiv zu werden, um vorhandene Diskriminierungen zu stoppen, wird im vorauseilenden Gehorsam lieber gesagt: Lesben und Schwule sollten lieber keine Kinder bekommen, weil unsere Gesellschaft noch nicht "reif" dafür ist. Eine fatale Schlussfolgerung.

So lange Bewegungen wie „Die besorgten Eltern“ und „Demo gegen Vielfalt“ auf die Straße gehen und laut ihren Unmut darüber äußern, dass es außerhalb von Vater-Mutter-Kind noch andere Lebens- und Familienformen gibt, solange Schriftsteller wie Akif Pirinçci oder Politikerinnen wie Beatrix von Storch oder Frauke Petri (beide AfD) in aller Öffentlichkeit sagen können, dass sie lieber heterosexuelle, „normale“ Familien schützen wollen vor Aufklärung über Homo- und Transsexualität an Grundschulen, statt sich dafür einzusetzen, dass Lesben und Schwule und Kinder aus Regenbogenfamilien, vor Diskriminierung und Anfeindungen geschützt werden, so lange rechtspopulistische Kampagnen Aufklärung über vielfältige Lebens- und Familienformen mit "Sexualisierung" oder gar Pädophilie in Zusammenhang bringen, so lange braucht es Vernetzung und Zusammenhalt, Sichtbarkeit und Öffentlichkeit für und von uns Regenbogenfamilien.

Nicht nur für uns Erwachsene, die wir uns dafür entschieden haben, Kinder zu bekommen und mit ihnen in verschiedensten Familienkonstellationen zu leben. Besonders auch für unsere Kinder. Denn Menschen wie Pirinçci, von Storch und Petri und all die ach so besorgten Eltern, diskriminieren unsere Kinder, sie sprechen ihnen ihre Existenzberechtigung ab. Unsere Kinder verdienen, dass wir laut sind und, dass wir sichtbar sind und das an jedem Ort und zu jeder Zeit.

Genau aus diesem Grund lohnt es sich, sich einzusetzen für die Weiterentwicklung von Bildungsplänen und Kampagnen, die Regenbogenfamilien sichtbar machen. Damit unsere Kinder in einer Gesellschaft aufwachsen, in der jede Familie, alle Eltern und alle Kinder, mit gleichem Respekt behandelt und mit gleichen Rechten ausgestattet sind.

geschrieben von Familie Regenbogenbunt


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Kommentare: 2
  • #1

    Clarissa (Donnerstag, 15 Oktober 2015 12:26)

    Super Beitrag. Kann ich vollstens unterstützen.

  • #2

    Kai (Samstag, 17 Oktober 2015 21:02)

    So ist es! Kinder nehmen familiäre Konstellationen als gegeben hin, wenn man ihnen erklärt, dass Fritzchen zwei Mütter hat und Erna zwei Papas. Das Problem der Diskriminierung entsteht durch engstirnige Erwachsene. Und deshalb setzen wir uns für unseren Zwerg ein und leben das bunte Regenbogenfamilienleben, dass genauso ist, wie in vielen anderen Familien