Trennung – und dann?

Trennung ist nicht schön. Nicht für die Eltern und schon gar nicht für die Kinder. Aber sie passiert – und das auch immer öfter in Regenbogenfamilien.

In den letzten Jahren habe ich eine zunehmende Zahl von Trennungen in Regenbogenfamilien in meinem Bekanntenkreis miterlebt. Und auch ich bin seit letztem Jahr von meiner Frau getrennt. Dabei habe ich festgestellt, dass nach einer Trennung sehr unterschiedliche Wege beschritten werden, um mit der neuen Lebenssituation umzugehen. Genauso bunt wie unsere Familienkonstellationen sind auch die Alternativen, die gewählt werden, um nach einer Trennung das Leben mit Kind und Ex-Partner/in zu gestalten.

Die meisten Hetero-Familien entscheiden sich nach der Trennung für das Residenz- oder Wechselmodell. Beim Wechselmodell leben die Eltern jeweils in einer Wohnung, die Kinder ziehen in einem festgelegten Rhythmus zwischen den Wohnungen der Eltern hin- und her. Beim Residenzmodell haben die Kinder ihren Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil – in der Regel bei der Mutter – und besuchen den anderen Elternteil an festgelegten Tagen.

Die Wege, die Regenbogeneltern nach einer Trennung gehen sind vielfältig. Residenz- und Wechselmodell werden auch von uns Regenbogenfamilien häufig gewählt. Kind oder Kinder wechseln also in regelmäßigen Abständen die Wohnumgebung und wohnen mal bei der einen, mal bei der anderen Mutter. Oder das Kind lebt hauptsächlich bei einer der Mütter, oft ist es die leibliche Mutter, die andere Mutter hat regelmäßige Tage, an denen sie Zeit mit ihrem Kind verbringt oder das Kind bei ihr wohnt. In Mehr-Eltern-Familien, in denen sich beispieweise ein lesbisches und ein schwules Paar gemeinsam um ein oder mehrere Kinder kümmern, werden nach der Trennung eines der Paare die Kinder-Zeiten und Wohnorte der Kinder untereinander mal mehr, mal weniger gleichberechtigt neu aufgeteilt. Manche Regenbogen-Eltern leben auch nach der Trennung weiterhin zusammen in einer Wohnung oder in einem Hausprojekt .

Meine Ex-Partnerin und ich praktizieren seit einem halben Jahr das so genannte Nestmodell. Das sieht bei uns so aus: Die Kinder wohnen weiterhin in unserem Haus. Meine Frau und ich ziehen abwechselnd für eine halbe Woche ins Haus und leben dort mit unseren Kindern. Die andere Hälfte der Woche wohnt jede in ihrer eigenen Wohnung – allein, ohne die Kinder.

Das Nestmodell hat den Vorteil, dass den Kindern das ständige Umziehen zum anderen Elternteil erspart bleibt. Keine zwei Kinderzimmer, keine unterschiedlichen Schulwege. Die Kinder bleiben in ihrem vertrauten Zuhause - das schien uns die beste Lösung für unsere Kinder zu sein. Die Strapazen des Wechselns tragen wir Eltern. In vielen anderen Ländern hat sich dieses Modell bereits stärker durchgesetzt als in Deutschland. Klarer Nachteil des Nestmodells sind die hohen Kosten. Es müssen drei Haushalte finanziert werden. Das können sich nicht viele Eltern (dauerhaft) leisten.

Frei von Konflikten sind auch Trennungen in Regenbogenfamilien nicht. Da gibt es die Mutter, die nach der Trennung ihrer Partnerin den Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu unterbinden versucht, den Vater, der sich nicht an vereinbarte Absprachen hält oder das Elternteil, welches sich komplett aus der Verantwortung zieht und am liebsten gar nichts mehr mit dem gemeinsamen Kind zu tun haben möchte. Verschärft werden vorhandene Konflikte durch ungleiche rechtliche Positionen. Wenn also beispielsweise keine Stiefkindadoption durchgeführt wurde und nur eine der Mütter offiziell als Kindsmutter gilt. Je mehr Elternteile in einer Familie aktiv Erziehend sind, desto vielfältiger kann auch das Konfliktpotential sein, welches sich nach einer Trennung zwischen den beteiligten Personen auftut.

Hinzu kommt meiner Meinung nach ein nicht zu unterschätzender gesellschaftspolitischer Faktor: Regenbogenfamilien stehen unter gesellschaftlicher Beobachtung und damit unter einer Art „Erfolgsdruck“.  Könnte es sein, dass wir den Anspruch an uns stellen, gute, dauerhaft funktionierende Familie nicht nur sein zu wollen, sondern auch sein zu müssen? Wenn eine Hetero-Familie zerbricht, dann ist das traurig und schmerzhaft. Aber das Familien-Modell „Mama-Papa-Kind“ steht nicht auf dem Prüfstand. Wenn eine Regenbogenfamilie zerbricht, bekommt dann vielleicht auch der Glaube an das „Modell Regenbogenfamilie“ Risse?

Die LGBT*-Bewegung hat lange und hart gekämpft für unser Recht als Familien wahrgenommen und rechtlich gleichgestellt zu werden. Hinter jeder Regenbogenfamilie steht ein oftmals langer und manchmal auch anstrengender Weg vom Kinderwunsch zum Kind. Regenbogenkinder sind Wunschkinder. Wir haben uns bewusst für ein Leben mit Kindern und damit auch für ein Leben als Familie entschieden. Nicht immer ist eine Familiengründung verbunden mit einer Liebesbeziehung zwischen den Eltern. In den meisten Regenbogenfamilien ist es aber so. Zwei Menschen, die sich füreinander entschieden haben, wollen gemeinsam ein Kind oder mehrere Kinder haben und als Familie miteinander leben. Zerbricht die Liebesbeziehung und trennen sich die Eltern, dann zerbricht auch erst einmal die Familie, so wie sie bisher gewollt und gelebt wurde. Es ist an uns, das "Modell Regenbogenfamilie" nach einer Trennung so neu zu gestalten, dass unsere Kinder weiterhin gut begleitet aufwachsen und sich ihren Potentialen und Wünschen entsprechend entwickeln können.

Ich finde, es ist an der Zeit das Thema Trennung als ein Bestandteil im Leben von Regenbogenfamilien in den Fokus zu nehmen. Denn genauso wie in Hetero-Familien wird ein nicht geringer Prozentsatz von uns früher oder später mit Trennung und Neuaufstellung von Familie in Berührung kommen. 

geschrieben von Familie Regenbogenbunt

Aktuelle Ergänzung: Seit Januar 2017 gibt es in Köln eine neue Gruppe für Singel-Lesben mit Kind und für getrennte Regenbogenfamilien.

Mehr Infos unter Gruppen.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0